Handlettering Lernen – Teil 2: Druckbuchstaben variieren
Im letzten Beitrag zum Thema Handlettering lernen (Lektion 1: Grundlagen und das serifenlose Alphabet) haben wir uns die wichtigsten Begriffe aus der Welt der Buchstaben angeschaut. Grundlage hierfür war das serifenlose Alphabet und zum Ende der Lektion habe ich Dich gebeten, ein eben solches auf einem Blatt Karopapier zu üben. Hoffentlich hast Du das Blatt noch – denn es eignet sich gut zum Vergleichen. In diesem Beitrag soll es nämlich darum gehen, Variation in Deine Schrift zu bringen.
Nur weil die Schrift serifenlos ist, also keine Strichabschlüsse bietet, mit denen man spielen kann, muss sie nicht langweilig sein. Ganz im Gegenteil: jede Schrift bietet Raum für Variationen, die wir uns an dieser Stelle anschauen wollen. Übrigens kannst Du alles das, was Du in dieser Lektion lernst, auch auf andere Schriftarten übertragen.
Variante 1
Spiele mit den Proportionen
Hast Du die Übung auf dem Karopapier gemacht, dann waren die Proportionen Deiner Buchstaben klar eingeteilt: die Breite sollte 1 Kästchen nicht überschreiten, die Höhe der Großbuchstaben war auf 2 Kästchen festgelegt und die Mittellinie teilte die Buchstaben genau in zwei Hälften. Doch was passiert, wenn wir einen der Parameter ändern?
Siehe selbst – ich ändere immer einen oder zwei Parameter und zeichne das Alphabet mit den neuen Vorgaben:
Breite: 2 Kästchen
Höhe: 2 Kästchen
Mitte: bei 1 Kästchen
Breite: max. 1 Kästchen
Höhe: 4 Kästchen
Mitte: bei 3 Kästchen
Breite: abwechselnd mal 1, mal 2 Kästchen
Höhe: 3 Kästchen
Mitte: bei 0,25 Kästchen
Wie Du siehst gibt es eine Menge Möglichkeiten, mit den Proportionen zu spielen. Probiere es selbst aus!
Variante 2
Verändere den Schriftschnitt
Dass Du die Proportionen Deiner Schrift verändern kannst, ist das eine. Zusätzlich kannst Du verschiedene Strichstärken einsetzen. Am einfachsten geht das mit einem dicken Marker. Zeichne damit das Alphabet noch einmal – die Proportionen überlegst Du Dir selbst, bleibst dabei aber unterhalb von 4 Kästchen, was die Höhe betrifft. Wenn Du die Schrift zu stark vergrößerst, verliert die dicke Marker-Spitze ihren Effekt. Statt fett zu malen, vergrößerst Du bloß die Schrift, da die Strichstärke ja proportional zur Gesamtgröße der Buchstaben gesehen werden muss.
Tipp: Ecken ausarbeiten
Da die Spitze meines hier verwendeten Eddings rund ist, sind es auch die Strichenden. Ich habe sie daher mit einem Fineliner nachbearbeitet. Anstelle der runden Endungen haben die Buchstaben nur gerade abgeschnittene Endungen. Im folgenden Bild siehst Du den direkten Vergleich.
Noch deutlicher sieht man den Effekt im folgenden Beispiel. Ich habe die gleiche Schriftart verwendet, die Linien aber doppelt gezogen. Dann habe ich die Strichenden wieder mit einem Fineliner nachbearbeitet. Und siehe da, ich habe eine richtig schön dicke Schrift.
Und jetzt: kombiniere!
Natürlich kannst Du mit der serifenlosen Schrift noch viel mehr anfangen. Du kannst die Buchstaben kursiv schreiben oder die geraden Striche krümmen. Du kannst die Buchstaben unterschiedlich anordnen und natürlich auch verschiedene Farben benutzen. Halte die Augen offen, wenn Du im Internet, in Magazinen oder auf der Straße verschiedene Schriftarten siehst. Achte darauf, wie sich die Buchstaben von denen unterscheiden, die Du in den letzten Übungen gezeichnet hast.
Es gibt unzählige Varianten und ebenso viele Ressourcen, um Beispiele dafür zu finden. Aber wenn’s drauf ankommt, sprich: Wenn Du an Deinem nächsten Lettering sitzt, dann zählt nur noch das, woran Du Dich erinnerst. An Kästchen zum Beispiel. Und was Du machen kannst, um Deine eigene Schriftart, Dein eigenes Lettering zu erfinden – ganz ohne Abmalen.
Übung
Ich hoffe, Du hast fleißig mitgemacht und die Alphabete in verschiedenen Proportionen und mit unterschiedlichen Strichstärken gezeichnet. Wie das obere Beispiel zeigt („Bleib einfach Du“) reichen bereits Deine Kenntnisse aus diesen ersten zwei Lektionen, um daraus ein Lettering entstehen zu lassen. Und genau das sollst Du tun! Zeichne ein Lettering alleine aus serifenlosen Buchstaben. Mische dabei mindestens zwei verschiedene Varianten – beispielsweise magere und fette Schrift oder schmale und breite Buchstaben.
Zeichne am besten eine ganz kleine Version Deiner Idee mit Bleistift vor. Wirklich ganz klein und ohne Details, viel kleiner als Du es lettern würdest. Wenn Dir die Version nicht ganz gefällt, zeichne eine weitere Idee direkt daneben. Mache so viele Vorzeichnungen, bis Du mit Deiner Idee zufrieden bist.
Erst dann zeichnest Du Deine Skizze in Originalgröße: Beginne mit der Grundlinie derjenigen Zeile, die die höchsten Buchstaben enthalten wird. Skizziere diese Buchstaben, indem Du sie ohne viel Druck sanft andeutest. Es geht hier nur um die Höhe, Breite und Proportionen der Buchstaben, Du musst sie nicht genau ausformen.
Fahre dann mit der Zeile darüber oder darunter fort – wieder, indem Du zuerst die Grundlinie zeichnest und dann die Buchstaben darauf skizzierst. Wenn Du fertig bist, zeichnest Du schließlich das Lettering mit Deinen Finelinern und Markern. Et voilá: Dein Lettering aus serifenloser Schrift ist fertig!
Hier geht es weiter mit Handlettering Lektion 3.
Ich habe eine Frage zu den Buchstaben (Breite: max. 1 Kästchen Höhe: 4 Kästchen Mitte: bei 3 Kästchen) Müsste das W dann nicht anders sein? Ist das nicht Mitte 1 Kästchen?
Hallo Kathrin,
sehr gut aufgepasst!! Das W ist ein gutes Beispiel für die „künstlerische Freiheit“, die ich mir hier zum Wohl der Optik herausgenommen habe. Mal das W mal so wie ich und direkt daneben so, wie du vorgeschlagen hast. Korrekt im Sinne der Einhaltung der Hilfslinie ist definitiv deine Variante – aber der Weißraum innerhalb des Buchstabens wird ziemlich klein, es sieht etwas voll aus – und ist zudem schwieriger zu malen. Um das auszugleichen, sollte das W entweder doch ein bisschen breiter sein oder die diagonalen Striche gehen doch nur ein Kästchen hoch. So wirken übrigens auch die Proportionen stimmiger – das W ist so ja auch exakt so proportioniert wie das M.
Kathrin, ich freue mich so sehr, dass dir das aufgefallen ist. Denn erst wenn man sich mit dem Handlettering im Detail beschäftigt, fallen einem solche Sachen auf – und man kann beim Lettern damit spielen.
Ganz herzliche Grüße
Deine Ludmila
Vielen Dank für die schnelle Antwort. So sieht es auch stimmiger aus ich habe die „richtige “ Variante ausprobiert und sie sieht doch komisch aus. Und man muss nicht alles genau nehmen. Wie du schon sagst…. Künstlerische Freiheit ?.
Danke dir! Das mit der künstlerischen Freiheit ist ja – auch und vielleicht besonders für Anfänger – genial!
Ja, das finde ich auch ?
Hallo, Ludmila, wieder einmal vielen Dank!
Darf ich hier noch eine Frage zu Variante 1 stellen:
Mir ist nicht klar, weshalb bei den Buchstaben B; E; J; R und Z der jeweils untere Strich bzw. die untere Rundung stark verkürzt sind, sich also nicht über die „vorgegebene“Buchstaben-Breite erstrecken?
Hallo Marie,
das ist einfach nur eine Design-Entscheidung. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Varianten durchgesetzt, an die das Auge sich bereits gewöhnt hat und die man heutzutage optisch ansprechend findet. Solche Verkürzungen beispielsweise – oder wenn der Fuß vom R nur ein stummeliges kleienes Häkchen ist 😉 vor hundert Jahren hätte man darüber wahrscheinlich nur die Nase gerümpft.
Kurzum: es ist keine Regel, sondern künstlerische Freiheit. Durch solche Spielereien kann Deine Schrift einen ganz neuen Look bekommen, und was Dir gefällt, musst Du einfach ausprobieren.
Herzliche Grüße
Ludmila
Danke danke danke endlich eine Möglichkeit zum Üben wo ALLE Buchstaben vorgeschrieben sind!!!
Sitze schon brav und schreibe wie in der Volksschule 😉
Und bald bekomme ich auch dein Buch!
Das ist ja wunderbar! Ich wünsche Dir ganz viel Freude beim Lettern, liebe Babs!
Danke!!! aber eine anfänger-neuschreib-lerner-frage-bitte hätte ich noch
. hast du auch ein Bild wo du die Variationen der serifenfreien Schrift in Kleinbuchstaben hast, weil da bekomm ich das mit dem Variiren nicht wirklich hin 🙁 und du erklärst das anhand der Kästchen so wunderbar!!!!!
Darum werde ich mich kümmern!
Das würde ich auch wunderbar finden 🙂
Für die Ungeübten eine ganz tolle Herausforderung! Nun, was für ’ne Freude, wenn’s klappt!
Danke Milla, super gemacht!
Grüße aus Bremen
Ja so ist es – vor allem in der heutigen Zeit, wo man immer weniger mit der Hand schreibt und nur noch auf dem Computer oder Smartphone textet. Da sind selbst Druckbuchstaben ungewohnt – vor allem, wenn sie langsam gemalt und nicht eilig auf ein Formular geschmiert werden sollen 😉 Aber Dranbleiben lohnt sich, jeden Tag ein bisschen Schönschrift und die Effekte sind sehr bald sichtbar!