Handlettering Lernen – Teil 1: Grundlagen
Das serifenlose Alphabet bildet eine gute Grundlage für den Start ins Handlettering. Alles, was Du hier und jetzt lernst, kannst Du auch auf andere Schriftarten übertragen. Dabei wollen wir hier nicht unendlich viele Vokabeln pauken, bevor es an das Malen der Buchstaben geht. Aber einige Worte möchte ich mit Dir in dieser Lektion besprechen, damit wir beide wissen, wovon die Rede ist. Wenn ich also in Zukunft von Mittellängen, Querstrichen oder Serifen spreche, wirst Du wissen, was ich meine.
Grundlagen und das serifenlose Alphabet
Das allererste Wort, was Dir unbekannt erscheinen könnte, ist: serifenlos. So werden Schriftarten genannt, die sich praktisch nur aus dem Wesentlichen zusammensetzen. Nämlich gerade den Strichen und Bögen, die für die einfachsten Formen der Buchstaben vonnöten sind. Serifenlosen Schriften fehlen, kurz gesagt, die quer verlaufenden Strichabschlüsse. Da der Buchdruck mit serifenschriften begann, kam die später erfundene serifenlose Schrift den Menschen „grotesk“, also merkwürdig und absonderlich vor. Daher werden seither die serifenlosen Schriften auch „Grotesk“ genannt.
Aber genug zur Geschichte, hier geht es ja um das ganz moderne Handlettering. Serifenlose Schriften sind meiner Meinung nach deshalb der beste Einstieg in das Handlettering, weil Du Dich auf das Wesentliche zuerst konzentrieren kannst: auf die Formen und Charakteristika der Buchstaben.
Der Schriftschnitt
Ein und dieselbe Schriftart kann verschiedene Schriftschnitte haben. Das bedeutet, dass die Grundformen im Wesentlichen gleich bleiben, sich die Strichstärke oder die Neigung der Buchstaben jedoch verändert. Was in der Typografie (also beispielsweise bei den Computer-Schriftarten) sehr detaillierte und feinste Änderungen an den Buchstaben mit sich ziehen kann, vereinfachen wir im Handlettering total!
Nehmen wir an, Du malst mit einem Fineliner das ABC in Druckbuchstaben auf Karopapier. Das ist der Standardschnitt Deiner Schriftart (regular).
Jetzt malst Du die selben Buchstaben noch einmal, aber mit einem Filzstift. Da der Filzstift eine dickere Mine hat als der Fineliner, werden auch sämtliche Striche dicker (Strichstärke) – Du hast einen fetten Schriftschnitt kreiert. Das kannst Du – ohne die Schriftgröße wesentlich zu verändern – auch noch mit einem dicken Edding ausprobieren (ultrabold). Irgendwann wirst Du jedoch an die Grenzen der Machbarkeit stoßen – je nachdem, in welcher Größe Du angefangen hast. Ein E mit einer 3mm Spitze in ein kleines Karo zu quetschen dürfte jedenfalls nicht mehr zu leserlichen Ergebnissen führen.
In die andere Richtung geht es ähnlich. Je nachdem, welchen Fineliner Du eingangs gewählt hast, um Dein ABC zu malen, wird es noch eine oder mehrere dünnere Stift-Varianten geben. Deine Schrift wird dann einen mageren Schnitt bekommen (light).
Bleiben wir beim ursprünglichen Stift und tauschen nun das Papier. Statt der rechtwinklig angeordneten Linien des Karopapiers stelle Dir vor, Du hättest leicht angewinkelte Linien. Die senkrechten Striche Deiner Buchstaben bzw. die Buchstabenachsen folgen nun den geneigten Führungslinien – Du hast jetzt einen kursiven Schriftschnitt.
Natürlich kannst Du das auch mit einem dickeren oder dünneren Stift wiederholen. Dann wird Dein Schriftschnitt z.B. fett und kursiv.
In diesem Abschnitt geht es mir weniger darum, das Du die Wörter light, bold oder oblique auswendig lernst. Wichtig ist mir nur, dass Du weißt, wie Du das Aussehen einer Schrift verändern kannst, ohne ihre eigentliche Form abzuwandeln.
Merke also: mit verschiedenen Werkzeugen (Stifte unterschiedlicher Stärke, gerade oder geneigte Führungslinien) kannst Du verschiedene Schriftschnitte erzeugen.
Schriftlinien
Die wichtigste Schriftlinie, auf die ich noch mehrfach eingehen werde, ist die Grundlinie. Das ist die imaginäre (oder ganz real mit Bleistift vorgezeichnete) Linie, auf der die Buchstaben aufsitzen. Die obere Begrenzung der Großbuchstaben, auch Majuskeln oder Versalien genannt, bildet die Versalhöhe oder auch H-Linie.
[mdi-icon name=“lightbulb“ size=“lg“ color=“#d84395″] In der Typografie gibt es mehrere Linien, die die Klein- und Großbuchstaben oben begrenzen. Die Spitzen der Kleinbuchstaben ragen – je nach Schriftart, ein bisschen über die Versalien hinaus. Einige Großbuchstaben sind tatsächlich ein bisschen größer als andere, um ein optisches Gleichgewicht zu schaffen. Im Handlettering brauchen wir hier zunächst gar nicht so genau zu sein. Für schöne und optisch ansprechende Werke reicht es aus, eine Linie als obere Begrenzung zu betrachten, denn unser Anspruch soll nicht sein, Millimetergenau zu zeichnen.
Auch die Querbalken sind bei den meisten Schriftarten nicht auf ein- und derselben Linie. Auch das liegt daran, dass man die Weißräume, also die Flächen zwischen den Linien und Bögen, möglichst ausgewogen halten möchte. Wieder berufen wir uns beim Handlettering auf die künstlerische Freiheit und halten es einfach: eine Hilfslinie zeigt die Position der Querbalken an und wir bekommen ein schönes Ergebnis, wenn wir alle Querstriche daran ausrichten.
Die Kleinbuchstaben oder Minuskeln bekommen eine zusätzliche Linie, die die obere Begrenzung der Buchstaben ohne Oberlänge darstellt: die Mittellinie oder x-Linie. Die Höhe dieser Kleinbuchstaben heißt Mittellänge – und auch die Buchstaben mit Oberlänge richten sich danach aus. Diese x-Linie kann gleichzeitig als Hilfslinie für die Querstriche der Großbuchstaben fungieren. Und die Oberlängen der Kleinbuchstaben reichen der Einfachheit halber bis zur Versalhöhe. So kommen wir mit nur vier Linien aus, um ein schönes Schriftbild gestalten zu können.
Aber halt: was ist mit den Buchstaben, die unter die Grundlinie hinausragen? Der untere Teil von Buchstaben wie g, p und y heißt Unterlänge. Natürlich kannst Du Dir auch für diese Buchstaben eine Linie ziehen, wenn Du ganz genau sein möchtest: die p-Linie. Wo genau Du die jeweiligen Linien platzierst, also wie weit sie auseinander sind, hat großen Einfluß auf die Proportionen Deiner Buchstaben und somit auf das Schriftbild. Darauf werde ich an anderer Stelle genauer eingehen, denn wir werden uns diesen Fakt zunutze machen, um Abwechslung in unsere Letterings zu bringen.
Übung
Für diese einfache erste Übung brauchst Du lediglich Karopapier und einen Fineliner. Stelle Dir vor, dass die drei Linien zweier übereinander liegenden Kästchen die drei wichtigsten Hilfslinien darstellen: Die unterste Linie ist die Grundlinie. Die Linie zwischen den beiden Kästchen ist die x-Höhe bzw. die Hilfslinie für die Querstriche. Die obere Linie des höher liegenden Kästchens ist die Versalhöhe. Zeichne nun zuerst die Großbuchstaben – sie erstrecken sich demnach über zwei Kästchen in die Höhe. Benutze außerdem die Kästchenbreite als Richtwert für die Buchstabenbreite. Natürlich gilt das nicht für das i – die anderen Buchstaben passt Du möglichst in ein Kästchen ein, sodass sie in etwa gleich breit sind.
Wenn Du mit den Großbuchstaben fertig bist, wiederhole die Übung mit Kleinbuchstaben. Für die Unterlängen solltest Du etwa ein halbes Kästchen verwenden. Unterschätze diese Übungen nicht! Auch wenn Du denkst, das sei doch etwas für Grundschüler – mach sie wenigstens ein einziges Mal um zu sehen, ob Deine Buchstaben so gleichmäßig und gerade werden, wie Du es möchtest. Wenn nicht: wiederhole die Übung jeden Tag. Es dauert nicht lange, sie durchzuführen, aber schon in einigen Tagen wirst Du eine Verbesserung bemerken können. Achte auf gerade Linien, rechte Winkel und gleichmäßige Bögen. Selbstverständlich kannst Du schwierigere Buchstaben wie das O mehrmals wiederholen, wenn sie nicht auf Anhieb klappen. Learning by Doing!
Noch mehr Übungen und Wissenswertes
Wenn Du noch tiefer ins Handlettering einsteigen möchtest, aber die nächsten Beiträge nicht abwarten kannst: es gibt auch einen [eafl id=“7932″ name=“Der große Handlettering Workshop“ text=“Handlettering Workshop“] als Bücherset von mir. Darin enthalten sind nicht nur Tutorials und Hintergrundwissen, sondern auch unzählige Beispiele und Letterings. Alles, was ich im Buch beschreibe, wird im Übungsbuch vertieft, wo Du Schriften und Letterings nachzeichnen kannst oder selbst kreativ werden musst. Ein Brushpen von edding ist auch dabei, Du brauchst also nur noch einen Fineliner und das Set, um loszulegen!
Hier geht es weiter mit Lektion 2.
Wow! Dankeschön für die vielen Infos. Dein Buch hab ich schon vorbestellt 🙂
Das ist ja großartig =) Vielen Dank!