Brush-Lettering: Schnörkel malen
Lektion 6
Schnörkel (engl: flourish) geben einem Brush-Lettering erst den richtigen Kick, das gewisse Etwas. So schön sie anzuschauen sind – so leicht kann man sich damit auch vertun. Leider gelingen diese Verzierungen ohne Übung genauso wenig wie das Brush-Lettering selbst. Deshalb widme ich diese Lektion der schönsten Nebensache des Brush-Letterings!
Genauso wenig wie bei den Buchstaben selbst möchte ich, dass Du die Schnörkel „auswendig lernst“. Vielmehr sollen Dir die Beispiele helfen, geeignete Stellen für die Verzierungen zu finden. Die Übungen sind nicht etwa dazu da, damit Du die Schnörkel exakt nachmalst, sondern damit Du einstudieren kannst, in deinem Lettering genau den Schwung zu machen, den Du auch geplant hast. Und zwar in der Richtung und Größe, wie Du es Dir wünschst. Denn nichts ist ärgerlicher, als ein gelungenes Lettering aus Versehen mit einem verpatzten Schnörkel zu verunstalten.
Der Sinn und Zweck von Schnörkeln
Ganz klar: Schnörkel sollen ein Lettering verschönern. Je nachdem, wie man es anstellt, kann man sein Lettering mit Schnörkeln elegant, verspielt oder auch völlig wirr aussehen lassen. Elegant wirken eher große, dünne Schlaufen – verspielt sieht es aus, wenn viele kleine Details hinzu kommen. Eine gute Kombination von beidem kann Spannung erzeugen. Wozu auch immer Du Dich entscheidest: das Lettering sollte zum Schluss immer noch lesbar sein. Selbst ein wunderschön ausgeführtes Flourishing ist der Sache nicht dienlich, wenn die Buchstaben dadurch nicht mehr als solche erkennbar sind. Man sollte also nicht in Unmengen von Linien nach dem eigentlichen Text suchen müssen. Und deshalb auch gleich mein erster Tipp: sei am Anfang eher sparsam mit Deinen Verzierungen!
Außer der reinen Zierde gibt es aber noch etwas, was eine Schlaufe, ein paar Schnörkel oder eine geschwungene Linie für Dein Lettering tun können. Und zwar kannst Du damit das Gleichgewicht wieder herstellen. Wenn Du also das Gefühl hast, dass eine Stelle Deines Letterings „leer“ aussieht oder der Schriftzug zu einer Seite zu kippen scheint, kannst Du es mit einer Verzierung ausgleichen. Jetzt schauen wir uns aber ersteinmal an, wo und wie man diese Schnörkel überhaupt hinbekommt.
Wohin mit den Schnörkeln?
Es gibt mehrere Möglichkeiten, Schnörkel zu platzieren. Schau Dir zum Beispiel mal das folgende Bild an. Einige Buchstaben laden direkt dazu ein, denn sie haben sowieso schon eine Schlaufe, die man leicht verlängern oder mit noch mehr Schlaufen aufhübschen kann:
Bei anderen Buchstaben ist eine Verzierung weniger offensichtlich, aber durchaus möglich, wie die nächste Abbildung zeigt. Hier werden die Abstriche gekonnt verlängert, um dann mit einer beliebigen Verzierung weiter zu machen. Eine Ausnahme bildet das kleine a: hier wird der einleitende Strich zur Verzierung. Das funktioniert genauso beim d, o oder q, also all den Buchstaben, die mit einem Oval beginnen.
Bei Großbuchstaben gibt es etliche Möglichkeiten, Schnörkel hinzuzufügen. Im folgenden Bild zeige ich Dir ein paar Beispiele. Zögere nicht, sofort selbst zum Stift zu greifen und es auszuprobieren. Ich wette, Dir fallen sofort weitere Varianten ein.
Natürlich können Schnörkel auch frei stehen und beispielsweise ein Wort unterstreichen oder eine Trennung darstellen. Sie sind nicht direkt mit einem Buchstaben verbunden, schmiegen sich aber mit ihrem Winkel und ihren Kringeln an das bereits geschriebene Lettering an und bilden so eine Einheit. Im nächsten Bild zeige ich Dir einige solcher Verzierungen. Wie auch bei den oberen Beispielen hängt die Form aber sehr stark von der Umgebung, also den anderen bereits vorhandenen Buchstaben und Schnörkeln, ab.
Schnörkeln üben
Flourishes sehen vielleicht einfach aus, sind mit einem Brush-Pen aber gar nicht so einfach hinzubekommen. Bist Du zu langsam, werden die dünnen Linien wahrscheinlich zittrig. Bist Du zu schnell, schießt Du womöglich über’s Ziel hinaus und übermalst im schlimmsten Fall aus Versehen Dein Lettering. Der goldene Mittelweg ist, die Linien zügig und mit sehr viel Selbstsicherheit auszuführen, aber auch mit ausreichend Kontrolle, um die gewünschte Form hinzubekommen. Wie das geht? Das Geheimnis eines gelungenen Schnörkels lautet:
Muskelgedächtnis
Das Wort ist nicht etwa eine Erfindung von Kalligrafielehrern, die ihre Schüler zum ständigen Wiederholen immer derselben Striche motivieren wollten. Nein, das motorische lernen gibt es tatsächlich. Durch Wiederholung braucht eine physisch ausgeübte Tätigkeit immer weniger Aufmerksamkeit und passiert irgendwann „wie von selbst“. Vielleicht erinnerst Du Dich noch an Deine ersten Autofahrten in der Fahrschule, als Du genau überlegen musstest, was Du mit dem Schalthebel anstellen musst, um in den zweiten oder dritten Gang zu kommen. So konzentriert auf das richtige Umlegen des Hebels bleibt den meisten ungeübten Fahrschülern ja kaum noch genug Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr! Heute denkst Du über das Schalten gar nicht mehr nach, selbst der Rückwärtsgang legt sich fast wie von selbst ein…. (es sei denn, Du hast ein neues Auto ;)).
So ist es mit dem Schreiben auch. In der ersten Klasse musstest Du Dich noch auf jeden einzelnen Buchstaben konzentrieren – heute brauchst Du diese Aufmerksamkeit höchstens noch beim Entziffern Deiner Sauklaue 😉 Spaß beiseite – was für Deine Handschrift gilt, wollen wir nun auch auf Deine Schnörkel übertragen.
Ich habe ein PDF für Dich (Download:
Übungsschnörkel (12360 Downloads )
) vorbereitet, das Du ausdrucken und für diese Übung nutzen kannst. Drucke es einfach auf normalem Druckerpapier, denn wir üben heute mit dem Bleistift. Suche Dir die Verzierung aus, die Dir gerade am besten gefällt, setze Dich wie zum Lettern an Deinen gewohnten Platz und fahre nun den Schnörkel sanft mit dem Bleistift nach. Versuche dabei, Dein Handgelenk über das Papier gleiten zu lassen und den ganzen Schnörkel in einem Schwung zu zeichnen. Zuerst langsam, dann ein bisschen schneller. Du kannst mit dem Bleistift viele, viele Male über ein- und denselben Schnörkel fahren. Wiederholung ist hier der Schlüssel zum Erfolg, damit das motorische Lernen funktioniert!
[jpshare]
Gegebenenfalls solltest Du die gewählte Verzierung mal von dem einen, mal vom anderen Ende beginnen, um zu sehen, welche Variante Dir am besten taugt. Auch das Papier solltest Du so drehen, dass es für Dich angenehm ist. Ein wichtiger Tipp zu diesen beiden Punkten: lange Linien solltest Du am besten immer in Richtung Deines Körpers zeichnen, nicht von Dir weg oder waagerecht. Drehe das Papier also so, dass die längste Linie horizontal verläuft. Wähle den Anfang des Schnörkels dann so, dass Du diese lange Linie in Richtung Deines Körpers zeichnest.
Übrigens: das Brush-Lettering Übungsheft beinhaltet stolze drei (!) Seiten voll mit Schnörkeln zum Üben!
Übung: ein Lettering mit Schnörkeln verzieren
Schritt 1: Lettern ohne Schnörkel
Du hast jetzt viele schöne Schnörkel gesehen – wir wollen sie endlich zum Einsatz bringen. Hast Du Deine Übungsblätter der letzen Wochen noch? Nimm eines davon zur Hand oder lettere einen Spruch Deiner Wahl. Wähle ruhig etwas, das Du über zwei oder drei Zeilen verteilen kannst. Dann ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass Du Lücken findest, die verziert werden wollen 😉 Bitte verwende nicht zu viel Zeit und Mühe auf das Lettering – es ist nur ein Übungsblatt.
Falls Dir gerade nichts einfällt, hier ein paar Sprüche, die Du lettern könntest:
- Wer rastet, der rostet.
- Die Liebe besiegt alles.
- Ohne Fleiß kein Preis.
- Lebe. Liebe. Lache.
- Wo gehobelt wird, fallen auch Späne.
- Gesagt, getan!
- Lebe lieber ungewöhnlich.
- Die Liebe gibt niemals auf.
- Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
- Wo kein Kläger, da kein Richter.
- Das Wandern ist des Müllers Lust
- Viel Glück und viel Segen auf all‘ Deinen Wegen!
- Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Wichtig für diese Übung:
Lettere Deinen Spruch im ersten Schritt ohne Schnörkel. Damit Du viele Möglichkeiten für schöne Verzierungen hast, lasse die t-Striche (Querbalken) und die Unterlängen von g und y ersteinmal weg. Schreibe also beispielsweise das Oval vom g, lass die Schlaufe weg und lettere so weiter, als hättest Du ein ganz normales g geschrieben.
Schritt 2: Schörkel vorzeichnen
Nachdem Du Deinen Spruch gelettert hast, halte ihn mit ausgestreckten Armen vor Dich und betrachte Dein Werk. Wie sind die Buchstaben und Worte verteilt? Wo sind Lücken und wo sind Buchstaben, an die Du anknüpfen kannst? Wie kannst Du die fehlenden Unterlängen verzieren? Wie sollten die Querbalken von kleinen t’s verlaufen?
Wenn Du die Stellen ausfindig gemacht hast, schnappe Dir wieder Deinen Bleistift und zeichne die Schnörkel ein, die Deiner Meinung nach passen. Drücke dabei nicht zu fest auf, dann kannst du den Bleistift ohne Weiteres weg radieren, wenn Dir Deine Verzierung nicht gefällt. Und drehe das Blatt so, wie Du es auch bei den Übungen oben gemacht hast! Wenn Du alle Schnörkel vorgezeichnet hast und Dir das Gesamtbild gefällt, geht es weiter zum nächsten Schritt.
Schritt 3: Muskelgedächtnis trainieren und Schnörkel zeichnen
Eingangs hatte ich gesagt, dass das Gelingen Deiner Schnörkel stark von der Sicherheit abhängt, mit der Du die Linien zeichnest. Die Sicherheit rührt aber nicht daher, dass Du die Linien vorgezeichnet hast. Vielmehr musst du die Bewegung einstudieren, um sie ins Muskelgedächtnis einzubrennen.
Nimm dazu bitte Deinen Brushpen und ein Schmierblatt. Suche Dir den ersten Schnörkel aus, den Du malen möchtest und male ihn nochmal mit Bleistift auf Dein Extrablatt. Fahre die Kurve einige Male nach. Stimmt die Kurvenführung, fühlt es sich gut an? Hast Du die richtige Größe drauf? Es ist wichtig, diese Übung dann auch mit dem Brushpen zu machen, damit Du auch die Strichstärke kontrollieren kannst. Denk daran, hierfür glattes Papier zu verwenden. Für den Beginn empfehle ich Dir, ausschließlich dünne Schnörkel zu zeichnen, also mit dem Brushpen nur sanft über das Papier zu gleiten und die Strichstärke nicht zu variieren.
Erst wenn Du mit Deinem Probeschnörkel auf dem Schmierblatt zufrieden bist, platzierst Du mit viel Zuversicht Deinen Schnörkel auf Deinem Lettering. Fahre in der gleichen Art und Weise fort, bis Du alle Schnörkel gemalt hast. Auch wenn nicht auf Anhieb jeder perfekt wird: bringe Dein Kunstwerk zu Ende!! Wie gefällt es Dir?
Hat es Klick gemacht?
Bei mir war es so: nachdem ich mich ein Mal bewußt mit den Schnörkeln beschäftigt habe, die Schlaufen tatsächlich ein paar mal geübt und dann auch in mein Lettering integriert habe, hat es bei mir Klick gemacht. Seither schnörkle ich schon beim ersten Entwurf meines Letterings drauflos. Manchmal füge ich noch den einen oder anderen Schnörkel hinzu, bevor es in die Reinschrift geht – oder ich benutze die Schnörkel, um Buchstaben zu verbinden. Wie zum Beispiel das h und das t im Beispiel ganz oben. Dabei folge ich keinen Regeln, sondern schnörkle einfach nach Gefühl und versuche, eine gute Balance zwischen Wiederholung und Abwechslung zu finden, damit nicht alles Verzierungen gleich aussehen, aber trotzdem zusammen passen. Und dasselbe kann ich auch Dir nur raten: verlasse Dich auf Dein Gefühl, wie viel oder wenig zu verzieren möchtest. Es ist schließlich Deine Kunst!
Teile Deine Erfahrungen!
Hast Du einen Instagram Account oder bist Du bei Facebook? Teile doch Deine Übungen und Erfahrungen auch mit anderen! Es gibt eine tolle Gruppe namens „Läddergäng“, die sich aus totalen Neulingen auf dem Gebiet des Brush-Letterings und auch alten Hasen zusammensetzt. Wir zeigen unsere Werke, helfen uns gegenseitig mit Tipps und Ideen und inspirieren einander. Kurzum: es macht einfach Spaß, dabei zu sein.
(Die Facebook Gruppe ist eine geschlossene Gruppe, d.h. Du musst eine Beitrittsanfrage stellen. Das sollte aber keine Große Hürde darstellen.)
Und wenn Du bei Instagram bist, teile Deine Fortschritte mit Gleichgesinnten und tagge sie mit #bg_lettering oder @buntegalerie
Hier geht es weiter mit Lektion 7 – Bounce Lettering.
Superst!!!!! ich bin überwältigt! Großen Dank!
Dankeschön ?